Wanderung durch das Haus Europa

03. - 21.10.2018

Einführung von Prof. Dr. Markus Bresinsky

Am Tag der Deutschen Einheit über das gemeinsame Haus Europa und dessen Entwicklung sprechen zu dürfen, ist großartig! Und weil das Thema so großartig ist, möchte ich mit etwas Kleinen beginnen, mit einem Blick aus dem Fenster.

Aus diesen Fenstern sieht man die Burgruine Loch auf einem heute herrenlosen Grundstück. Um 1300 gab es hier eine stolze Burgherrschaft und die Burg hatte ein wichtige Schutz- und Repräsentationsfunktion. Menschen arbeiteten hier, gründeten Familien, schufen Werte und Werke. Und sie gehörten und gehorchten einem Herren.

Wenn das Rauschen der Laaber allen modernen Lärm übertönt, kann man sich das Hufgetrappel vorstellen, den Lärm von Schmiedehämmern und das rumpeln von Wagenrädern. Und wenn man genau hinhört, das fröhliche Anstoßen von Bierkrügen im Dorfwirtshaus.

Wirtschaftliche und politische Veränderungen haben diesen Ort in den letzten 700 Jahren grundlegenden verändert. Burgen brauchen wir nicht mehr und wir müssen uns nicht mehr mit dem Wappen des Burgherrn ausweisen.

Auf unseren Nummernschildern und Personalausweisen prangt heute das Zeichen der Europäischen Union. Wir reisen in die Welt ohne Mühe und haben einen höheren Lebensstandard, mehr Besitz sowie eine höhere Lebenserwartung als vor 700 Jahren.

Europa hat in den letzten 700 Jahren eine wechselvolle geschichtliche Entwicklung genommen und dabei eindrucksvolle wie schreckliche Landmarken hinterlassen.

Neben vielen anderen wichtigen Wegmarken war für die Entwicklung Europas die Durchsetzung der normativen Idee von 1776 und 1779 von besonderer Bedeutung: Die amerikanische Unabhängigkeitserklärung und die Französische Revolution. Freiheit, Menschenrechten, Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung, Demokratie und soziale Verantwortung. Damit wurde ein Fundament Europas gelegt, aus dem über einige Umwege und Rückschläge ein gemeinsames Haus entstehen sollte.

Es gab gewaltige und gewalttätige Attacken gegen dieses Projekt. Europäische Reaktion, Faschismus, Kommunismus, Weltkriege, Genozid und Schoah. Doch immer wieder setzte sich die normative Idee eines demokratischen, freiheitlichen und gemeinsamen Europas durch. Diese Idee besaß letztendlich stets die größte Kraft für Frieden und Wohlstand.

1990 glaubten wir, den letzten Angriff auf das Projekt Europas abgewehrt zu haben. Mit dem Fall der Mauer schien die letzte Festung verschwunden zu sein.

28 Jahre später müssen wir erkennen, dass sich mit der Globalisierung und der gesellschaftlichen Transformation vor allem die freiheitlichen Wirtschaftskräfte durchgesetzt haben und weniger die normativen demokratischen Ideen. Die Folge: Illiberale Demokratien entstehen, Populismus und Nationalismus schürt Ängste und macht Stimmung gegen das normative Projekt und das Haus Europa.

Freiheit, Menschenrechten, Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung, Demokratie und soziale Verantwortung. Diese Hausordnung erhalten wir nur, wenn wir uns mehr miteinander als gegeneinander auseinandersetzten.

Wir brauchen keine Burgen mehr! Wir brauchen kein Zurück in die Zeiten von Wappen und Mauern. Was wir brauchen ist eine Gemeinschaft, wie ein Dorf mit Häusern, in dem Nachbarschaft und Gastfreundschaft wichtiger ist als Streit und Ablehnung.

Mit einem Bild möchte ich schließen. Für diese Gemeinschaft ist nicht die Burg, sondern der Stammtisch im Dorfwirtshaus das wohl passendere Bild. Dort wird diskutiert und gestritten, aber nicht gerauft. Dort gibt es Respekt und Toleranz, trotz aller Unterschiede.

//Und wenn Sie genau lauschen, dann ist er zu hören. Der Klang anstoßender Bierkrüge auf die Gemeinschaft.

Ich wünsche Ihnen viel spannende Eindrücke von Europa!

 

Lesen Sie hier den Artikel Wunschtraum oder Realität aus dem Kulturjournal Regensburg

Zurück

Copyright © Schlossbrauerei Eichhofen